Einflussfaktoren auf den Gold- und Silberpreis

Zuerst eine mehrjährige Hausse, danach ein schmerzhafter Absturz: Der Goldpreis hat im neuen Jahrtausend eine regelrechte Achterbahnfahrt hinter sich. Und viele Bewegungen bei der Preisnotierung sind mit rationalen Argumenten kaum nachzuvollziehen.
 
Es lohnt sich daher, einen Blick auf die wichtigsten Einflussfaktoren zu werfen, die über neue Hochs oder Crashs bei den Edelmetallen entscheiden.

Seltenheit: Gold ist ein rares Gut

Der weltweite Goldvorrat ist überschaubar - alles Gold der Welt ließe sich in einen Würfel von nur 20 Meter Kantenlänge packen. Genaue Zahlen sind unbekannt, doch aktuell wird davon ausgegangen, dass in der bisherigen Menschheitsgeschichte rund 166.000 Tonnen Gold gefördert wurden. Zum Vergleich: Es gibt etwa 20 Mal so viel Silber auf der Welt. Natürlich könnten größere Goldfunde den Goldpreis nach unten drücken, allerdings ist ein solcher Fund eher unwahrscheinlich. In der Goldverarbeitung wird daher verstärkt auf Recycling gesetzt.

Inflation: Gold und Silber schützen vor Vermögensverlust

Die Finanzmärkte und Verbraucher hatten sich schon daran gewöhnt: Die Preise steigen nicht, die Notenbanken pumpen immer mehr Billig-Geld in die Märkte, um Investitionen und Konsum anzuheizen. Doch mehr als eine gefährliche Spekulationsblase ist nicht geblieben von den fiskalpolitischen Verzerrungen. Und seit 2016 ist die Inflation zurück - ganz ohne Zutun der Zentralbanken. Die Rohstoffpreise sind zuletzt wieder stark angezogen, die Inflationszielwerte der Zentralbanken dürften schneller erreicht werden als angenommen. Die Folge: Gold wird als Inflationsschutz wieder interessant. Denn wenn der Wert von Papiergeld sinkt, schützen wahre Werte wie Gold vor einem Vermögensverlust.

Zinsen: Senken oder heben die Notenbanken den Daumen über die Edelmetalle?

Die Lehrbuchmeinung lautet folgendermaßen: "Gold wirft keine Zinsen ab". Doch in Zeiten, in denen es auch anderswo keine Zinsen gibt, muss die alte Weisheit überdacht werden. Wirtschaftswissenschaftler haben nachgewiesen, dass es tatsächlich keine Beziehung zwischen Zinsen und dem Gold- und Silberpreis gibt. Denn steigende Zinsen, die eigentlich schlecht für Gold sein müssten, hatten in der Vergangenheit häufig eine unterstützende Wirkung. Weil steigende Zinsen meist mit steigender Inflation einhergehen, wird Gold dann als Inflationsschutz wieder relevant. Allerdings haben die Zinsentscheidungen von EZB und Fed fast immer einen kurzfristigen Einfluss auf den Goldpreis, sodass sich Anleger die Termine von bevorstehenden Zinsentscheidungen im Kalender markieren sollten.

Fernost-Nachfrage: Indien und China liefern sich ein Wettrennen um Gold

Viele Jahre war Indien der Top-Abnehmer von Gold auf dem Weltmarkt. Das gelbe Metall hat in dem Land eine lange Tradition und ist als Geschenk zu gesellschaftlichen Anlässen unverzichtbar. Doch in einem anderen Land ist in den vergangenen Jahren eine kaufkräftige Mittelschicht herangewachsen, deren Kaufverhalten direkte Auswirkungen auf den Goldpreis hat: In China bekämpft die Regierung verstärkt die internetgestützte Währung "Bitcoin" als Ziel für Kapitalflüchtlinge. Aus diesem Grund gewinnt Gold für Bürger, die ihr Geld vor staatlichen Eingriffen schützen wollen, in China wieder verstärkt an Bedeutung. Allerdings wird die Nachfrage nach Gold auch immer wieder durch staatliche Zwangsmaßnahmen wie zuletzt in Indien bedroht, wo der Kauf von Gold für private Zwecke stark eingeschränkt wurde. In China haben zuletzt der schwächere Yuan und die niedrigen Zinsen die Attraktivität des Rohstoffs befördert. Für 2017 wird geschätzt, dass die indische Goldnachfrage bei 650 bis 750 Tonnen liegen dürfte, China könnte zwischen 900 und 1.000 Tonnen Gold abnehmen.

Förderung: Die Suche nach der Gold-Nadel im Heuhaufen

Kaum ein Investor kann sich wohl vorstellen, wie viel Arbeit in einer Unze Gold steckt. Die Suche nach dem gelben Metall gleicht der Suche nach einer Nadel im Heuhaufen: Auf 1000 Tonnen Gestein kommen etwa fünf Gramm Gold, Goldminenbetreiber müssen bis zu 5000 Meter tief bohren. Sie wenden Milliardenbeträge für das Erkunden von möglichen Fundstellen auf, meist vergehen einige Jahre bis zur Entdeckung einer neuen Goldader und immer wieder müssen Minenbetreiber in die Insolvenz gehen, weil sie bei der Erkundung neuer Quellen langfristig keinen Erfolg verzeichnen.

Aktienmärkte: Wenn der Risiko-Appetit steigt, fallen Gold und Silber

Das Verhältnis zwischen Aktien und Gold ist zwiegespalten: Einerseits zählen sowohl Unternehmensanteile als auch Edelmetalle zu den Sachwerten und profitierten daher in den vergangenen Jahren überproportional von der Flucht in Sachwerte. Andererseits entwickelten sich Gold und Aktien meist gegensätzlich zueinander. Die Logik dahinter: Wenn es keine politischen oder wirtschaftlichen Probleme gibt, gibt es auch keinen Grund, das Vermögen mit Gold zu schützen. Höherer Risikoappetit führt dazu, dass Aktien beliebter sind als Gold oder Silber. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass Gold und Silber fast überhaupt nicht mit den Aktienmärkten korrelieren. Somit ist es durchaus sinnvoll, zur Diversifizierung seines Portfolios sowohl Edelmetalle als auch Unternehmensanteile zu berücksichtigen.

Währungsschwankungen: Der US-Dollar ist das Maß aller Dinge

Auch wenn europäische Anleger ihr Gold und Silber in Euro zahlen, entscheidet eine andere Währung über die großen Bewegungen beim Gold- und Silberpreis: Edelmetalle werden weltweit in US-Dollar gehandelt. Die meisten Finanzmarktpapiere mit Goldbezug wie beispielsweise Futures-Werte werden in US-Dollar angegeben. In den vergangenen Jahren haben sich die Preise für Gold in Euro und US-Dollar auch durchaus unterschiedlich entwickelt. Von dem massiven Preisrutsch bei Gold in US-Dollar waren Anleger im Euro-Raum nicht so heftig betroffen, weil gleichzeitig der Euro gegenüber dem US-Dollar an Wert verloren hat.

Terminmärkte: Zocker drücken mit Papier-Gold den Preis von Münzen und Barren

Wer glaubt, dass das Prinzip von Angebot und Nachfrage den Preis von physischem Edelmetall bestimmt, der täuscht sich. Tatsächlich werden die Preise für die wichtigsten Edelmetalle am so genannten "Terminmarkt" gemacht. Hier wird nicht mit Münzen und Barren, sondern mit Finanzmarktpapieren mit Edelmetallbezug gehandelt. Oder mit anderen Worten: Gegenstand der Transaktionen ist nicht physisches Gold, sondern ein Zettel, auf dem das Wort "Gold" steht. Und hier liegt das Problem: Der Umfang der weltweit gehandelten Finanzprodukte mit Goldbezug übersteigt die tatsächlich vorhandene Goldmenge um ein Vielfaches. Und die großen Spekulanten, die mit Futures-Kontrakten auf steigende oder fallende Goldpreise wetten, haben den Goldpreis in der Vergangenheit immer wieder in die Knie gezwungen, während physisches Gold restlos ausverkauft war.

Weltpolitik: Gold als „sicherer Hafen“ in unsicheren Zeiten

Gold wird auch als „Fieberthermometer des Friedens“ in der Welt bezeichnet. Und tatsächlich waren die meisten Preissprünge beim Gold ausgerechnet dann zu beobachten, wenn raue Zeiten in der Weltpolitik anbrachen – beispielsweise 1980 während des Einmarsches der Sowjetunion in Afghanistan. Oder 2011, als die Revolutionen in der arabischen Welt zu Bürgerkriegen führten und Griechenland kurz vor dem Staatsbankrott stand. Allerdings zeigen die genannten und viele andere Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit auch: „Politische Börsen haben kurze Beine“ – und damit auch der Goldpreis. So hielt sich der Schock nach dem Austritts-Votum der Briten aus der Europäischen Union oder nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsident in Grenzen, die Kursbewegungen nach unten an den Börsen und nach oben beim Gold hatten nur kurz Bestand. Allerdings sind die Folgen von unvorhergesehenen Ereignissen stets auch am Goldpreis abzulesen.

Die wichtigsten Einflussfaktoren im Überblick

  1. Seltenheit des Rohstoffes Gold auf der Welt

  2. Gold als Schutz vor Inflation

  3. Zinspolitik der Notenbanken

  4. Nachfrage von Indien und China

  5. Förderung von neuem Gold

  6. Risikoappetit an den Aktienmärkten

  7. Währungsschwankungen bei US-Dollar, Euro und Yen

  8. Spekulation an den Terminmärkten

  9. Geopolitische Zwischenfälle